In der Praxis wird die Bestimmung der Feuchtegehaltes von Anhydritestrichen durch Trocknung bei 40°C vollzogen. Diese ist bewährt und stellt für diesen Bindemitteltyp den Stand der Technik dar. Von einer höheren Trocknungstemperatur wird abgesehen, weil das Bindemittel dann zunehmend kristallin gebundenes Wasser abgibt. Dieses kristallin gebundene Wasser stammt von Calciumsulfat und wird in zwei Schritten bei ca. 70 und 105 °C (abhängig von der Feinheit der Temperaturschritte) freigesetzt. In der Literatur ist mehrfach schon darauf hingewiesen worden, das in zementären Systemen neben Anhydrit und auch Ettringit als Hydratphasen gebildet werden:
Literaturhinweis 1:
„Diss. Christiane Rössler, 2006, F.A. Finger Institut für Baustoffkunde, Weimar“
Literaturhinweis 2:
„Diss. Severin Seifert, 2009, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg“
Literaturhinweis 3:
„Diss. Sebastian Seufert , 2011, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg“
Ettringit hat knapp 50% seiner Molmasse als Wasser gebunden und kann davon etwa 2/3 abgeben. Dieser Prozess startet bereits bei niedrigeren Temperaturen als bei Anhydrit. Er hängt auch vom vorliegenden Wassergehalt der Luft ab, je höher Wasseranteil, desto höher muss die Temperatur sein, damit Kristallwasser freigesetzt wird.
Stufenweise Trocknung/ Darrung
Dieser Vorgang läuft bei einer Temperatur von 40°C im vernachlässigbaren Ausmass ab, und daher bietet es sich an, diese Temperatur zur Bestimmung des freien Wassergehaltes heranzuziehen. Die Trocknung erfolgt bis zur Gewichtskonstanz der Probe. Die Höhe des Gleichgewichtszustandes wird im geringen Masse von der Temperatur und im erheblichen Masse von der umgebenden Luftfeuchtigkeit einer inerten Probe vorgegeben. Eine erhöhte Temperatur beschleunigt lediglich das Erreichen des Gleichgewichtszustandes. Die relative Luftfeuchtigkeit, die sich in einem Trockenschrank einstellt hängt bei nicht klimatisierten, offenen Systemen ausschliesslich von der Umgebungsluft des Trockenschrankes ab. Diese Laborluft wird angesaugt, erwärmt und in den Trockenschrank geblasen. Dadurch wird die Speicherfähigkeit der Luft erhöht und die relative Luftfeuchtigkeit sinkt ab, wie aus der nachstehenden Grafik leicht nachvollziehbar ist. Bei einer Laborluft von 20°C / 50%rF ergibt sich im Trockenschrank bei 40°C eine relative Luftfeuchte (Gleichgewichtsfeuchte) von etwas weniger als 20%rF. Eine Probe, die mit diesem Klima im Gleichgewicht steht darf als sehr trocken bezeichnet werden.
Stufenweise Darrung, Rahmenbedingungen
Trockene Estriche
Durch stufenweise Trocknung einer Probe kann der jeweilige Gewichtsverlust bei einer gegebenen Temperatur und relativen Luftfeuchtigkeit bestimmt werden. Durch die unterschiedlichen Trocknungstemperaturen können neben dem freien Wasser (Gewichtsverlust bei 40°C) auch charakteristische Eigenschaften einer zementären Probe bestimmt werden wie die nachstehende Grafik für drei verschiedene trockene Proben aufzeigt. So kann beispielsweise in die nachstehende Grafik aufzeigen, dass die gelbe Probe ein Schnellestrich sein muss, während es sich bei der grünen Probe um einen konventionellen Calciumsulfat Anhydritestrich (CA) handelt. Die blaue Probe ist ein Zementestrich. Allen Proben ist gemeinsam, dass Sie bei 40°C nur einen sehr geringen Feuchtigkeitsverlust zeigen und damit als wenig freies Wasser aufweisen.
Stufenweise Darrung 3-er trockener Estrichproben
Feuchte Estriche
Werden frische Proben einer Baustelle stufenweise getrocknet ergibt sich insbesondere für den Masseverlust bei 40°C ein völlig anderes Bild wie die nachstehende Grafik zeigt.
Stufenweise Darrung 3-er feuchter Estrichproben
Bei 40°C weisen die drei Proben hohe Gewichtsverluste auf und erlauben so die Bestimmung des Anteils an freiem Wasser der Proben. Die grüne Probe kann dank des charakteristischen Gewichtsverlustes bei 70°C als CA definiert werden, während die anderen Proben klassische zementäre Estriche sind.
Spachtelmassen
Auch Spachtelmassen mit einem sehr grossen Anteilen an Ettringit wie auch Anhydrit lassen sich auf diese Weise prüfen und mit einfachem gerätetechnischen Aufwand charakterisieren. Wir haben dazu nachstehend eine entsprechende Probe einer Spachtelmasse geprüft. Stufenweise Darrung einer Spachtelmasse
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Probe durch den hohen Gewichtsverlust bereits bei 40°C noch einen erheblichen Anteil an freiem Wasser enthält. Der Gewichtsverlust bei 60°C weist auf einen hohen Ettringitgehalt hin, während der von Gewichtsverlust bei 70°C dem Anhydrit zugeschrieben werden kann.
Feuchtegradient eines Calciumsulfat-Fliessestrichs (CAF)
Wird die Probennahme an der Baustelle entsprechend durchgeführt, lässt sich für eine Entnahmestelle auch mit der stufenweisen Darrung auch ein Feuchtigkeitsprofil erzeugen. Die sich über den Querschnitt ergebende Zusammensetzung der unterschiedlichen Gewichtsverluste zeigt eine klare Schichtung der einzelnen Inhaltsstoffe. CAF enthält neben dem Anhydritbinder immer auch einen gewissen Anteil an zementären Komponenten zur Regelung des Abbindeverhaltens. Bei diesem Versuch erfolgte die Festlegung der Trocknungstemperatur bis 60°C in 10°C Schritten während sie darüber in 5°C durchgeführt wurde. Man kann durch sehr unterschiedlichen Gewichtsverluste bei 40°C den steilen Feuchtigkeitsgradienten erahnen, der sich durch die Estrichkonstruktion zieht. Man sieht sehr deutlich auch, dass der Ettringitanteil über den Estrichquerschnitt nicht gleichmässig ist, und dass es im oberen Bereich erheblich mehr Anhydrit haben muss als weiter unten.
Schlussbemerkung
Bei all der technischen Einfachheit des hier beschriebenen Systems gibt es einen grossen Nachteil. Eine derartige Charakterisierung benötigt mehrere Wochen. Für jede gewählte Temperatur muss die Probe bis zur Gewichtskonstanz getrocknet werden. Als Abbruchkriterium war, wie in der Norm DIN 18121 beschrieben, ein Gewichtsverlust von weniger als 0.1 M-% innerhalb von 24 Stunden gewählt worden. Gut Ding will Weile haben…
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